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Sonntag, 04 Dezember 2016 12:04

Pro und Kontra: Streulichtblenden

Pro und Kontra: Streulichtblenden

Streulichtblenden (oftmals etwas fälschlicherweise auch Gegenlichtblenden, oder schlicht "Gelis" genannt) erwecken beim fotografisch unbedarften Beobachter schnell den Eindruck, dass hier ein Profi am Werk ist. Da stellt sich konsequenterweise die Frage: zählen diese Teile wirklich zum unverzichtbaren Equipment? Klare Antwort von RAWcket Science: Jein! Ein kleines Streitgespräch.



Tim: Der theoretische Sinn von Streulichblenden ist mir schon klar. Aber mal ehrlich, in wie vielen praktischen Fällen bieten die denn tatsächlich einen Mehrwert, der hinterher auf dem Foto auch wirklich zu sehen ist?

Salke: Man benutzt die Streulichtblende ja gerade, um dafür zu sorgen, dass unerwünschte Lichteinstrahlung nicht zu sehen ist. Damit hat sie eine denkbar undankbare Rolle, da sie scheinbar keine auf das Bild einwirkende Rolle übernimmt. Der Mehrwert ist, dass eine ansonsten gelungene Aufnahme möglicherweise durch hässliche Flares im Wert herab gesetzt wird.

Tim: Das stimmt schon, aber wie oft passiert das? Wie oft denkst du dir tatsächlich: "Na zum Glück hatte ich jetzt die Geli dabei"? Oder konsequenterweise deiner Argumentation der passiven Rolle der Streulichblende müsste ich mich wohl eher fragen, wie oft ich denke "Mist, hätte ich jetzt die Geli dabei, würde mir das wirklich helfen". Ich muss zugeben, das passiert, aber ich bin mir sicher: bei weniger als einem in 5.000 Fotos. Rechtfertigt das den Platzbedarf in der Fototasche, die Unhandlichkeit beim Objektivgebrauch und die Zeit, die man eventuell benötigt, bis man das Teil endlich angebracht hat? 

Salke: Für dich geht es beim Einsatz der Geli immer nur um den Moment der Aufnahme, dabei zeigt sich doch oft erst am Rechner, ob sie sinnvoll gewesen wäre. Ich habe mir früher öfters nach dem Fotografieren OHNE Geli beim Begutachten der Bilder am Rechner gedacht: "Hättest du sie mal einfach drauf gemacht...". Die Geli ist kein Zaubermittel gegen Flares. Wenn ich voll in die Sonne fotografiere, habe ich Flares, egal ob mit Geli oder ohne. Nun gibt es aber nicht nur die Sonne als Lichtquelle, sondern auch jede menge Reflektionen an Häusern, Autodächern, Wasseroberflächen und nachts kommen jede menge künstliche Lichtquellen mit ins Spiel. Hier kann ich mit der Geli meinen Ausschuss senken, indem ich einfach die 5 Sekunden investiere sie ans Objektiv zu setzen.

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Tim: Also das Problem mit den Reflektionen an Häusern, Autodächern, Wasseroberflächen und die künstlichen Lichtquellen in der Nacht ist mir offenbar vollkommen fremd. Ich habe noch nie ein Bild wegen sowas aussortiert.

Salke: Dazu kommt, dass die Geli auch noch andere Zwecke erfüllt: Wer mal bei Regen fotografiert hat weiß, dass es ziemlich unmöglich wird, sobald sich dickere Tropfen auf der Frontlinse sammeln. Je nach Brennweite muss es mit GeLi aber schon horizontal regnen, damit die Linse nass wird.

Tim: Das mit dem Regen ist ein Argument, da stimme ich dir zu!

Salke: Auch kann ich temporär das ganze Objektiv auf die Geli stellen, ohne mir Gedanken um Kratzer machen zu müssen. Finde ich beim Objektivwechsel oft praktisch und das Platzargument von dir sollte damit mehr als kompensiert sein.

Tim: Den Objektivwechsel krieg ich in der Regel aber hin, ohne ein Objektiv dafür irgendwo abstellen zu müssen. Wird doch eh immer ein Platz frei in der Tasche, oder? Ich glaube, die Streulichtblenden von Weitwinkelobjektiven sind bauartbedingt oft sowieso schlecht "abstellgeeignet". Schau dir doch mal die von deinem 17-40mm an. Kannst du das auf der GeLi abstellen? Ab 50mm geht das aber wohl meistens, das mag sein.

Salke: Alles, was Tulpenbauform hat ist natürlich nicht wirklich geeignet, um als Abstellfläche zu dienen.

Tim: Lass uns noch mal zurück zu den Auswirkungen aufs Bild kommen: meistens reicht doch die eigene Hand zur Abschirmung aus, oder?

Salke:  Die Hand als Abschirmung mag in Notsituationen funktionieren, aber so will man doch nicht arbeiten. Du verlierst Stabilität, weil du die Kamera nur mit einer Hand hältst und gleichzeitig auslösen musst. Wie soll das überhaupt gut funktionieren, wenn der Lichteinfluss von rechts kommt? Übergreifen? Das ist doch mehr als unbequem. Und ich kann das auch nur dann machen, wenn ich es überhaupt sehe. Im Sucher bemerkt man Flares teilweise nicht, auf dem Kameradisplay sowieso nicht. Ist die Geli drauf, kann ich mir einfach sicher sein, das ich die technischen Maßnahmen ergriffen habe, um Flares zu verhindern.

Tim: Das bequemste ist es nicht, das stimmt. Aber da schließt sich wieder der Kreis zum Anfang: es kommt mir einfach zu selten vor, dass es mich ernsthaft stören würde. Da greife ich halt einmal über, was solls. Geht doch viel schneller als ständig Gelis an- und abzubauen. Der 2 Sekunden-Timer hilft, wenn man die Kamera mal mit der linken Hand halten muss. Klingt jetzt auch umständlich, ist aber in der Praxis blitzschnell erledigt. Übrigens würde mich das alles auch nur halb so sehr nerven, könnte man beim umgekehrten (also platzsparendem) Aufsatz der Geli noch vernünftig Fokus- und Zoomringe greifen. Stört dich das nicht?

Salke: Natürlich stört mich das, deswegen ist die Geli auch entweder richtig rum drauf - oder gar nicht. Ich finde es absolut bescheuert, wenn ich Leute sehe, die mit verkehrt rum aufgesetzter Geli fotografieren, das hat wirklich gar keinen Sinn. Die Frage ist, was du jetzt als "ständig" empfindest beim Geli-Wechsel. Klar, wenn du alle 5 Minuten das Objektiv wechselst, dann nervt das. Muss man das aber? Eigentlich nicht. Ich bin in der Landschaftsfotografie zu Hause, ich stehe irgendwo, wähle mein Motiv, die dazu passende Linse und warte auf das Licht. Sport-, Street-, Doku-, Konzert- und Hochzeitsfotografen haben stattdessen eher einen zweiten Body dabei, weil es noch länger dauert das ganze Objektiv zu wechseln. Da bleibt also an beiden Linsen die Geli einfach dran. Wo sind jetzt die Situationen wo ich ständig gezwungen bin, die Geli zu montieren?

Tim: Dann haben wir vermutlich einfach unterschiedliche Gewohnheiten. Ich wechsle ständig. Nach der "offensichtlichen" Brennweite für's Motiv probiere ich immer noch zwei oder drei andere aus, wenn es die Zeit erlaubt. Dafür schleppe ich auch gerne immer noch zwei Linsen mehr mit, als ich eigentlich bräuchte. Gerade in der Landschaftsfotografie picke ich mir gerne mit einem Tele-Objektiv noch mal Details aus einer Szene raus. Beispiel:

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Ich denke mal, es kommt einfach auf die Umstände an. Wenn man Zeit hat und sich auf eines oder wenige Motive festlegt, dann kann man auch entspannt die Geli einsetzen. Ich persönlich stopfe nur lieber mehr Glas und weniger Plastik in die Tasche, auch wenns schwerer ist. Da ist der Nutzen pro Kubikzentimeter Tascheninhalt für mich größer. Ich hab sonst immer das Gefühl auf irgendwas nicht vorbereitet zu sein. Oh, jetzt verfallen wir in die psychologische Schiene. :D

Salke: Es kommt immer auf die Umstände an, aber wer die Zeit hat, der sollte die Geli aufsetzen und sich damit einfach absichern gegen ungewolltes Streulicht von den Seiten. Im Zweifelsfall gilt aber natürlich auch hier: Ein Bild ist besser als kein Bild, wenn die Situation also schnelles Handeln erfordert, dann raus mit der Linse und abdrücken.

Tim: Genau! Ich denke, das ist ein gutes Fazit! 


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21551 Kommentare

  • Kommentar-Link Martin Timm Montag, 05 Dezember 2016 12:04 gepostet von Martin Timm

    Liebe Streulichtblendendiskutierer,
    danke für diese unterhaltsame Lektüre an diesem Morgen. Ich bin gar nicht mehr überrascht darüber, wie viel Energie wir Fotografen aufwenden können, um über Dinge zu schreiben, die medial so sekundär sind, dass schon das Medium selbst zu lächeln beginnt.
    Ja, die Welt braucht Streulichtblenden. Oder auch nicht.
    Aber was sie noch viel mehr braucht, ist das, was Fotografie wirklich ausmacht: gute Bilder. Und mindestens ebenso wilde Diskussionen über echte, authentische, liebevolle, zugewandte oder verstörende Bilder - Bilder, die sich genießen lassen und/oder zum Nachdenken anregen oder uns heute irgendwohin bringen, wo wir gestern noch nicht waren.
    Für technisch einwandfreien Naturalismus braucht man Streulichtblenden - besser noch exakt bildwinkelanpassungsfähige Kompendien, wie wir sie in der Großformatfotografie benutzt werden. Die kosten ein paar Euros, die man investieren kann oder auch nicht. Beides begründbar, wie man oben sieht.
    Aber was nützen Diskussionen über Streulichteinflüsse ohne genauso energetische Diskussionen darüber, wie wir überhaupt an schützenswerte Inhalte und Formalismen kommen? Ob wir die überhaupt haben? Wie können wir rein technische Qualitäts-Einbußen (etwa Auflösungs- oder Farbnuancen-Verluste) von echt ästhetischen Opfern wirklich unterscheiden? Woran erkennen wir überhaupt, ob das, was wir mit Streulichtblenden schützen wollen, wirklich schützenswert ist?
    Sollten wir wirklich Schraubenschlüssel diskutieren ohne ausreichenden Konsens übers Festzuschraubende? Also darüber, wie sich gelockerte von festsitzenden Muttern unterscheiden?

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